… damit meine Enkel nicht auf Opa fluchen!

Ein Interview mit Michael Klöfkorn

Michael Klöfkorn ist ehemaliger Nachhaltigkeitsmanager bei der Bahlsen Group und Experte zum Thema Global Impact und Nachhaltigkeit 3.0.

Wie kamst du eigentlich zu dem Thema Global Impact & Nachhaltigkeit?

Ich bin da so reingerutscht. Herr Bahlsen hat „damals“ jemanden gesucht, der dieses diffuse und oft auch widersprüchliche Thema Nachhaltigkeit als strategisches Initiative verantwortet, aufbaut, systematisiert und letztlich in die Unternehmensstrategie integriert. Ich habe zu der Zeit in der Personal- und Organisationsentwicklung in der Bahlsen Group gearbeitet und das Bahlsen-Projektmanagement aufgebaut und geschult. Mich hat diese neue Herausforderung sehr gereizt, weil sie letztlich – wenn man das Thema ernst nimmt – bedeutet, dass man sich der Widersprüche des eigenen Wirtschaftens stellt und zugleich die Chancen und Potenziale des Themas heben kann. Kurzum: Auf wessen Kosten wirtschaften wir? Welche Innovationspotenziale schlummern in dem Thema? So kommen neue Impulse in die Organisation. Das hat mich gereizt. Ich hätte den Job aber niemals angenommen, wenn ich kein belastbares Mandat seitens Herrn Bahlsen persönlich und seitens der Geschäftsführung gehabt hätte. Wenn dieses Mandat fehlt, ist diese Aufgabe ein „Himmelfahrtskomando“!

 

Viele langweilt das Wort „Nachhaltigkeit“. Mittlerweile sind alle grün. Jeder ist nachhaltig – und sei es nur der Kaffee in der Mensa. Ist denn das Thema global gesehen wirklich immer noch so ein zentrales?

Genau da ist das Problem: Auf den ersten Blick scheint das Thema abgefrühstückt und ausgelutscht, weil es eigentlich viel zu oberflächlich gespielt wurde. ABER: Obwohl immer mehr Unternehmen bunte Nachhaltigkeitsberichte schreiben, spiegelt sich dies letztlich nicht in den Studien zum Zustand unseres Planeten wieder. Die Diskrepanz zwischen den Nachhaltigkeitsleistungen der Unternehmen und den Studien zum Zustand unseres Planeten besteht mehr denn je. So werden wir auch weiterhin mit der absurden Situation konfrontiert werden, dass immer mehr Unternehmen von sich behaupten, sie seien nachhaltig, während wir gesellschaftlich und global vor kaum noch zu lösenden Herausforderungen stehen. Gemäß den fundierten Berechnungen des International Footprint Network ist der ökologische Fußabdruck der Menschheit so groß, dass wir flächenmäßig eigentlich 1,7 Erden benötigen würden – mit unserem deutschen Lebensstil sogar 3,2 Erden. Wir leben und wirtschaften auf Kosten unserer Umwelt und auf Kosten anderer Menschen – vor allem der Menschen auf der Südhalbkugel und der nächsten Generationen. Ökonomisch ausgedrückt: Wir leben vom Kapital und nicht von den Zinsen! Was werden unsere „Enkel“ einmal über uns sagen? „Oma, Opa, hättet ihr doch…!“ Ich für mich jedenfalls möchte alles dafür tun, dass meine Enkel nicht auf Opa fluchen! Die Frage ist doch: Welchen Beitrag habe ich geleistet, damit meine Kinder und meine Enkel auf einem friedlichen und gesunden Planeten leben können? Für mich mündet das Thema Nachhaltigkeit in diesen Fragen.
Natürlich kann kein Unternehmen und auch kein Land alleine die Welt retten. Das ist auch nicht unser Ansatz. ABER: Wir brauchen Bewusstheit für das, was wir tun. Jeder – besonders Unternehmer und Unternehmen – sollte eine eigene Haltung zum Thema entwickeln, seine Hotspots und Widersprüche kennen, die Chancen nutzen, die das Thema in sich hat, um Lösungsbeiträge zu entwickeln. Das wäre dann in etwa die Vision, die ich Nachhaltigkeit 3.0 nennen würde.

 

Aus deiner nun über 10-jährigen Erfahrung mit der Thematik, würdest du sagen jedes Unternehmen MUSS sich heute damit auseinandersetzen? Kommen da auch tatsächliche Verpflichtungen auf die Unternehmen zu? Oder tut es einfach dem Image gut sich nach außen sichtbar damit zu beschäftigen?

Wer Nachhaltigkeit als Imagefaktor sieht und nicht konkret in sein Geschäftsmodell integriert, wird mittel- und langfristig ökonomische (!) Nachteile haben. Jedes ungelöste gesellschaftliche oder globale Problem ist eigentlich nichts anderes als eine enorme, unentdeckte Marktchance. Es geht darum, diese Chancen zu nutzen und Nachhaltigkeit als Innovationschance zu sehen. Darüber hinaus gibt es aber seit 2017 schlichtweg die Verpflichtung für kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, einmal jährlich eine sogenannte nicht-finanzielle Erklärung, also einen Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen. Auch daraus ergeben sich neue Wettbewerbschancen, nicht nur für Großunternehmen, sondern auch für mittelständische Geschäftspartner und Zulieferer.

 

Noch mal zurück zum Begriff „Nachhaltigkeit 3.0“? Was meinst du damit genau, kannst du das noch erläutern?

Ich nutze das gerne, um die möglichen Entwicklungsschritte zu veranschaulichen: Wenn sich jemand gar nicht mit der Thematik beschäftigt, ist das Stufe Null. Der erste Schritt ist dann das Reagieren auf Risiken oder gesetzliche Verpflichtungen – ökologische und gesellschaftliche Herausforderungen werden nur berücksichtigt, wenn sie unmittelbar geschäftsrelevant sind. Wenn man dann beginnt sich aktiv und systematisch mit den ökonomischen, ökologischen und sozialen Zusammenhängen des Wirtschaftens und Handelns zu beschäftigen – auch unter Einbezug der relevanten Stakeholder – hat man Stufe 2 erreicht. Eigentlich ist jedes ungelöste gesellschaftliche oder globale Problem jedoch auch eine enorme, unentdeckte Markt- und Innovationschance. Stufe 3 wäre damit, Nachhaltigkeit als Gelegenheit zur unternehmerischen Schaffung signifikant positiver lokaler und globaler Werte zu nutzen. Profit, Planet und Menschen sind dann auf Augenhöhe und im Gleichklang.

 

Gefühlt bedeutet Nachhaltigkeit immer auf etwas zu verzichten oder zusätzliche Ausgaben? Wo siehst du denn abgesehen von Risiken auch Chancen bei dem Thema?

Nachhaltigkeit kann sehr sexy sein. Wir bei xpand denken, es ist höchste Zeit für einen ehrlichen Dialog, der mit Leichtigkeit an diese unbequemen Fragen herangeht. Wir wollen Mut machen, Neues anzupacken und auszuprobieren und inspirieren, Nachhaltigkeit als Chance zu erkennen. Es geht bspw. um die Entwicklung einer nachhaltigen Energieversorgung, welche weder unverantwortliche Klimarisiken noch unkalkulierbare gesellschaftliche Risiken und langfristige wirtschaftliche Belastungen in Kauf nimmt. Es geht bspw. im Destination Management um die Entwicklung intelligenter, vernetzter und geteilter Mobilitätssysteme für urbane Zentren und ganze Regionen. Im Finanzbereich geht es um die Umlenkung der Finanz‐ und Investitionsströme in Richtung Energieeffizienz und erneuerbare Energien, öffentliche Infrastrukturen, nachhaltige Landwirtschaft, Ressourcenschutz und öffentliche Gesundheit. Die Herausforderungen sind bedeutend und bedürfen nicht nur anderer Geschäftsmodelle, sondern auch vermehrt kollaborativer und transformativer Strategien, welche Lieferketten und Sektoren übergreifen, aber auch private, öffentliche und zivilgesellschaftliche Akteure integrieren.

 

Und wie packt man dieses Thema aus deiner Sicht optimal an? Hast du schon eine Art „Erfolgsformel“ entwickelt?

Wecken Sie in Ihrer Organisation erst einmal ein Bewusstsein, eine eigene Haltung, die Lust, das Verständnis. Der nächste Schritt ist eine ehrliche, systematische und dialogorientierte Status-Quo Aufnahme. Man muss einen ersten wirklich relevanten (!) Ausgangspunkt finden, von dem aus dann gemeinsam mit allen Beteiligten im Unternehmen (auch gemeinsam mit externen Stakeholdern) zielgerichtet Bewegung erzeugt werden kann. Weitere Bausteine sind nachhaltige Unternehmensstrategie, Stakeholderintegration und -kooperation, ökologische und soziale Nachhaltigkeit.
Die Erfolgsformel gibt es nicht. Vielleicht ein Erfolgsrezept. Zu einem Rezept gehören unterschiedliche Zutaten. Welche Zutat in welchem Maße und mit welcher Dosierung bleibt den Unternehmen überlassen. Hier die Zutaten:

  • Haltung statt Erfüllung externer Anforderungen und Imagepflege
  • Transparenz und den Mut und die Bereitschaft auch da hin zu gehen, wo es weh tut
  • Offenheit sein Geschäftsmodell zu überdenken
  • Stakeholder (vor allem die kritischen!) von Anfang an einbeziehen
  • Mitarbeiter zu Nachhaltigkeitsbotschaftern machen. Ohne den Rückhalt der MitarbeiterInnen ist das Thema ein Rohrkrepierer

Sie werden merken, es macht stolz und dankbar, wenn man merkt, was man beitragen kann.

 

Warum macht ihr euch als xpand auf den Weg dieses Thema anzugehen und wieso „Global Impact“?

Global Impact, weil wir der Überzeugung sind, dass unser Handeln, Wirtschaften, Beraten einen Impact (direkt oder indirekt) auf diesem Planeten, also auf Mensch und Umwelt hinterlässt. Uns geht es darum positive Impacts zu erzeugen. Auch als xpand entdecken wir Themen, die schon länger brennen und bei näherer Betrachtung an Bedeutung gewinnen. So beschäftigt uns neu die Frage, wie wir als Unternehmen NACHHALTIG Zukunft gestalten – intern und zusammen mit unseren Kunden. Können oder müssen uns die brennenden gesellschaftlichen Fragen unser Zeit inspirieren, innerhalb des eigenen Geschäftsfelds innovative Lösungen mitzugestalten? Nicht mit moralischen Zeigefinger, sondern auf der gemeinsamen Suche nach dem, was langfristig dreifach wertschöpft – ökonomisch, ökologisch und sozial.

 

Und warum sollten Unternehmen mit dem Thema zu euch kommen?

Weil Nachhaltigkeit mit uns Spaß macht und Wertschöpfung bringt. Materiell und immateriell. Die Wirkung ihres Unternehmens ist in vielen Bereichen wirklich wertvoll – das ist also nicht nur ein kritisches Thema. Unsere Leidenschaft ist es, Menschen und Organisationen beim Erreichen ihrer einzigartigen Berufung zu unterstützen. So helfen wir Menschen und Organisationen, sich nachhaltig zu entwickeln, über die eigenen Grenzen zu schauen und gesund zu wachsen. Es geht uns nicht um noch mehr Managementmethoden, sondern vielmehr darum mit Kunden neue und selbstwirksame Konzepte umzusetzen, die den Menschen „mitnehmen“, und positive Lösungsbeiträge der Unternehmen für gesellschaftliche Nachhaltigkeitsprobleme kreieren. Das ist unser Anspruch.

 

Vielen Dank für das Interview, Michael!